So. Ausnahmsweise war ich nicht mal selbst schuld, daß ich seit gefühlten Monaten nicht einen einzigen Post schreiben konnte. Neuer Job, neuer Rechner, neuer Internetzugang – manche Dinge dauern einfach. Dafür jetzt ungewohnt gut erholt. Es kann wieder losgehen.
Fragt man Expats aus Europa nach den persönlichen Gründen, warum man ausgerechnet nach Shanghai gezogen ist, erhält man erstaunlicherweise meist recht gleiche Antworten. Deutsche, Engländer und Holländer sind sich manchmal doch ähnlicher als sie es wahrhaben wollen. Natürlich würde ich trotzdem ums Verrecken nicht zugeben, dass man in diesen Ländern auch Fußball spielen kann. Aber das ist wohl was anderes.
Unter den beliebtesten Gründen für den Wohnsitz Shanghai sind meist zu finden:
- „Beruflich eine tolle Chance.“
(das man die mit grauen Haaren und Bluthochdruck bezahlt, sagt einem natürlich niemand) - „China ist so spannend und aufregend.“ (oft ist nach ein paar Monaten aber kein euphorischer Unterton mehr zu erkennen)
- „Ich weiß auch nicht. Eigentlich wollte ich nur ein halbes Jahr bleiben. Und das war 1994.“ (Passiert hier wohl vielen. Wenn ich in zwölf Jahren noch über China blogge, mache ich mich auch nicht mehr lustig)
- „Man ist so schnell in ganz Asien und kann ganz viele tolle Länder entdecken.“
Letzteres dachte ich auch mal. Man ist in Europa ja auch ein bisschen verwöhnt. Morgens Bielefeld, mittags Barcelona – kein Problem. Wer nicht gerade von Trondheim nach Gran Canaria pendelt, wird bestätigen können, daß man in Europa im Grunde in maximal zwei Stunden überall ist. Zudem kommt man, dank Ryanair&Co, aus Frankfurt manchmal günstiger nach Mallorca kommt als nach Offenbach. Wer Offenbach kennt, weiß daß das nicht das Schlechteste ist. Insgesamt sind wir Europäer in Sachen Entfernungen und Reisen einfach ziemliche Weicheier. Das verschiebt die Wahrnehmung von Kontinenten recht schön.
Auf der Landkarte sieht der asiatisch-pazifische Raum natürlich schon recht groß aus. Wie weit die Strecken aber tatsächlich sind, unterschätzt man doch schnell. Ich hatte schon öfter mal den Gedanken: „Warum eigentlich nicht mal nach Australien? Wir sind ja quasi schon halb da.“. Sydney ist auch mit Direktflug aber immer noch 11 Stunden weg. Vielleicht ganz gut, daß ich nie eine Karriere als Erdkundelehrer in Erwägung gezogen habe. Trotzdem ist ein Urlaub in Vietnam hier natürlich einfacher zu machen als nach Spanien zu fliegen. So haben wir also kürzlich beschlossen, eine Woche in Thailand zu verbringen.
Phuket ist für einen Kurztrip wirklich zu empfehlen. Zwar nicht gerade ein landschaftliches Highlight und an manchen Ecken so lauschig wie El Arenal – dafür bekommt man sehr gut und sehr einfach Sonne, Meer und vor allem Entschleunigung. Wirklich toll. Optimisten, Sparfüchse und Menschen mit großzügiger Lebensversicherung können das von Shanghai aus sogar sehr hübsch als Direktflug ab knappen 100 Euro haben. Da ich beruflich schon häufig in den Genuss von Flügen mit Linien wie Shanghai- oder Hainan-Airlines gekommen bin, war das für uns keine wirkliche Alternative um in die Sonne zu kommen.
Auf dem Hinflug kurzer Zwischenstop in Hong Kong. In zwei Stunden da, 24 Stunden um berufliches zu erledigen, dann nur noch mal knappe drei Stunden weiter nach Phuket. Mit Taxi-, Transferfahrten und Wartezeit werden das dann gerne mal schon 16 Stunden. Aber es geht ja ans Meer, das macht schon mal entspannt und geduldig. Buddha unterwegs.
Die Woche in Thailand an sich: toll, wundervoll, großartig. Mal ganz abgesehen von Traumwetter, Meer und Kokosnüssen im Übermaß konnte ich auch endlich mal wieder autofahren. Nach dazu wieder mal ganz viel gelernt:
- Phuket ist eine Insel zum rumliegen. Nicht zum Erkunden. Wunderschöne Flecken, an denen man ständig „Ah!“ ausrufen möchte. Außerhalb dieser Flecken: „Uuh..“. Aber grün ist es.
- Wer zwei Jahre kein Auto bewegt hat, sollte sich seine Jungfernfahrt in Thailand genau überlegen. Asien UND Linksverkehr. Mehr als einmal habe ich beim Abbiegen nicht geblinkt, sondern sehr entschlossen die Scheiben gewaschen. Zusätzlich ist eine Geisterfahrt nun kein theoretisches Konzept mehr.
- Stromausfälle gehören in Südostasien dazu. Klimaanlagen benötigen Strom. Klimaanlagen sind nachts bei 35 Grad angenehmer als man denken sollte.
- Menschen, die den Satz „in Thailand kann man wirklich auch an den kleinsten Straßenständen unbesorgt gaaanz toll essen.“ von sich geben, haben entweder Glück, keine Ahnung oder einen Magen aus Edelstahl.
Nach einer wunderbaren Woche gepampert werden, dann der Weg zurück. Der Plan: gebräunt, erholt und mit einem seligen Lächeln im Gesicht entspannd abends wieder in Shanghai. Die Realität: Pläne sollte man hier nicht machen. Wir hätten es wissen sollen. Erstaunlich eigentlich, daß man nach zwei Jahren Asien und einer Woche Urlaub noch etwas ungehalten wird. Auch wenn es mittlerweile ein Prozess ist:
„Ihr Flug hat eine Stunde Verspätung. Um zwei geht es dann los.“ – kein Problem.
„Es könnte noch ein wenig dauern, wir bitten um ihre Geduld.“ – aber gerne doch.
„Wir müssen ein Teil austauschen. Wir erwarten um 18.00 zu starten.“ – was soll man machen.
„Das Teil müssen wir aus Hong Kong einfliegen und hier einbauen.“ – ein bisschen stört es jetzt aber.
„Es handelt sich um eine hydraulische Pumpe, die ausgetauscht werden muss. Das dauert ein wenig länger.“ – die Information wäre ein paar Stunden früher hilfreich gewesen.
„Der Pilot muss leider seine Ruhezeit einhalten.“ – und das kam nun so unerwartet?
„Wir fliegen um 23.00. Oder um 2.30.“ – ist ja fast kein Unterschied.
„Also so um vier glauben wir geht es los.“ – ja, gleich geht es hier los.
Ich will ja nicht unken, Thais sind tolle Menschen. Aber irgendwann weckt auch serviles Lächeln nur noch primitive Mordgelüste. Ich möchte es mir selbst fast nicht eingestehen: ich habe unser eher granteliges Shanghai ein bisschen vermisst. Dem ersten Taxifahrer der mich anblafft, kaufe ich ein Eis. Wenigstens fährt der pünktlich los.