Wer zuletzt lacht, ist kein Chinese.


Ich bin beschämend leicht zu erheitern, ich kann über so gut wie alles lachen: Schlagfertige Antworten, Situationskomik, absurde Situationen, Webfails, Loriot selbstverständlich. Ich finde sogar Mario Barth witzig, würde das aber natürlich nie zugeben. Oft brauche ich nicht mal einen Anlass, meist reicht schon meine eigene Unzulänglichkeit um mich zum Kichern zu bringen – was aber auch an meiner weit überdurchschnittlichen Trotteligkeit liegen mag. So habe ich mich zum Beispiel kürzlich an einer Karotte verletzt, das sagt einiges. Kurzum: dank der Lachreizschwelle eines bekifften Vorschülers, kann ich mich eigentlich überall amüsieren. Dachte ich zumindest bevor ich nach China kam. Wer Humor zu schätzen weiss, muss in China umdenken.

Was ich als erstes, dennoch leider trotzdem viel zu spät gelernt habe: Ironie und Sarkasmus existieren nicht. Als Westeuropäer sind wir doch alle ähnlich kulturell geprägt worden, auch wenn diese Vorstellung nicht allen behagt. Parisern zum Beispiel. Man ist einfach gewohnt, daß sich die Bedeutung des Gesagten durch Tonfall und Mimik ergänzt, manchmal sogar umkehrt („Na toll.“). In China ist dieses rhetorische Stilmittel weitestgehend unbekannt, Sarkasmus ist nicht vorgesehen. Ich wäre für diese Information im Rahmen meines wirklich absurd intensiven kulturellen Einführungstrainings sehr dankbar gewesen. Unwissend habe ich mich gerade zu Beginn hier mehr als einmal in die Nesseln gesetzt.

Sich das erste Mal in China unfassbar blöd anzustellen ist wie der erste Auffahrunfall – es bleibt einem in Erinnerung. So wie das Projekt, bei dem mir das beauftragte Team nach vier Wochen entbehrungsreicher Abstimmung stolz ihre Arbeitsergebnisse präsentierten: zwei verkrumpelte Servietten mit ein paar Strichzeichungen. Abgesehen von der Form war auch der Inhalt Murks. Es hatte nichts, aber auch nichts mit der Aufgabe des Kunden und dem was wir im Rahmen des Briefings besprochen hatte zu tun. Komplett inakzeptabler Mist. Da ich zu dem Zeitpunkt schon gelernt hatte, daß ein Tobsuchtsanfall die schlechteste aller Reaktionen wäre, beschränkte ich mich auf ein augenrollendes, verächtliches „Ja klasse, genau SO sollten wir es machen. Am besten bitten wir den Kunden dafür um deutlich mehr Honorar.“ Sie haben es leider wörtlich genommen und tatsächlich noch eine Woche ihre Servietten optimiert. Mein Fehler. Eine völlig neue Ebene der Ironie: das Land das wohl wie kein anderes Wert auf Zwischentöne legt, versteht Ironie nicht.

Generell sind die Ansichten darüber was lustig ist unterschiedlich. Witze, die Laowais nationalitätsübergreifend zum Prusten bringen, ernten maximal besorgtes Kopfschütteln von Einheimischen. Dafür können sich meine chinesischen Kollegen einen ganzen Tag lang beömmeln, weil jemand einen lustigen Fahrradhelm aufhat.

Zugegeben – sich als Deutscher über ein merkwürdiges Verständnis von Humor zu beklagen ist knifflig. Die Welt hat uns Altherrenwitze, den Ententanz und Cindy aus Marzahn zu verdanken, ich sollte mich mal schön bedeckt halten. Trotzdem. Man hat manchmal das Gefühl, das sich hier der Humor hauptsächlich an Sechsjährige richtet. Dachte ich zuerst zumindest als Neuankömmling. Mittlerweile muss ich zugeben – China hat einen ganz eigenen Humor und der ist teils sogar wirklich witzig – wenn man Chinesisch nicht nur spricht, sondern auch lesen kann (was ich beide im Übrigen noch immer nicht kann,langsam gehen mir die Ausreden aus). Manches wird sich mir glaube ich auch nie erschließen, aber das habe ich vom Genuss warmem Wassers auch mal gedacht.

Wenn China lacht, lacht es über:

1. Laowais, die Mandarin sprechen und sich zum Vollhorst machen

2. „Cold Jokes“ – so was wie in Deutschland Antiwitze in den 80ern. Waren noch nie wirklich witzig, auf chinesisch werden sie nicht besser:

„Ein Dumpling geht die Straße entlang und bekommt Hunger. Er isst ein Stück von sich selbst – was ist er dann? Ein gefüllter Dumpling.“

3. Cross-Talk. Eher schon etwas angealteter, konservativer Humor. Wider besseren Wissens hört es sich an als würden sich zwei Betrunkene ständig ins Wort fallen. Angeblich in etwa so wie Abbott & Costellos „Who’s on first“

4. Wörtern mit gleicher Aussprache eine neue Bedeutung zu geben

Blüht auf durch die Kombination aus Internet-Zensur und Social Networks wie Weibo. Einer der Urväter und weit verbreitesten Witze (mit einem ursprünglich ernsten Hintergrund, dem Anprangern besagter Zensur): das Grasschlammpferd.

caonima-toy

Das Caonima ist die grösste Beleidigung unter den Alpakas.

„Gras“, „Schlamm“ und „Pferd“ hören sich gesprochen an wie „Cao Ni Ma“ – „F**** Deine Mutter“. So hat sich besagtes Caonima mittlerweile von einem doppeldeutigem Witz zum echten Kulturphänomen gemausert. Es hat sogar seine eigene Entstehungsgeschichte und ist eines der zehn mythischen Kreaturen. Zu diesen gehört auch übrigens auch der französisch-kroatische Tintenfisch. Er heisst „Fa Ke You“. Grandios.

Exoten sind immer die Anderen.


China ist manchmal wie ein Signalhorn gegen die Gewohnheit. Immer wenn man denkt, man hat es verstanden, tun sie etwas Drastisches und sorgen für erneute Verwirrung. Shanghai ist mittlerweile wirklich unser Zuhause, fremd fühlt sich kaum noch eine Ecke an und wirklich überraschen tut einen hier nichts mehr. Dachte ich.

Zur Erneuerung der Erkenntnis: „Manchmal haben sie echt einen an der Klatsche“, hat ein Einkauf bei Carrefour gereicht. Eigentlich Standard, keine Überraschungen. Erst habe ich auch gar nichts bemerkt – am Getränkeregal zunächst das komische Gefühl das irgendetwas anders ist. Bei der Zahncreme wusste ich: die Musik ist es. In einem Großsupermarkt einer französischen Handelskette, am Stadtrand von Shanghai in einem Vorort namens QingPu, unter 35.000 Chinesen die sich anfühlen wie 350.000, zwischen Hühnerfüßen, tausendjährigen Eiern und Quallenkonserven: deutsches Liedgut in Startbahnlautstärke. Und wir sprechen hier nicht von Beethoven. Der gesamte Supermarkt beschallt von einer Preziose deutscher Dicht- und Sangeskunst mit dem hübschen Refrain:

„Ich bin Ü30 und das weiß ich, doch das ist mir scheißegal. Ich bin super drauf und noch immer erste Wahl!“

Ballermann-Mucke in Shanghai. Und das mehr als einmal – das war kein Versehen. Eine halbe Stunde Einkauf hat gereicht um das hübsche Stück sieben(!) mal zu hören. Ich habe diesen Mist in Europa schon so sehr gehasst, daß ich unter 1,5 Promille den Raum verlassen musste. Recherche ergab, der Interpret nennt sich Peter Wackel. Ich finde, er sollte gesteinigt werden. Oder wenigstens nur geknebelt aus dem Haus dürfen. Diese Musik brennt sich so tief ins Hirn, es ist wirklich unfassbar. Noch drei Wochen später hat sich dieser Ohrwurm in die Untiefen meines Denkens gefräst. Wahrscheinlich hat er dabei noch Schulwissen gelöscht. Kein Wunder, daß mir die binomischen Formeln nicht mehr einfallen. Aber ich schweife ab.

Apres-Ski in Qing Pu ist eigentlich nur eine Facette dessen, was einem erst in China klar wird: Exotik ist relativ. Ist ja eigentlich auch nur logisch. Wie schon mal beschrieben, kommen Deutsche und Deutsches hier super an. Es mag für Holländer, Engländer, Franzosen, Österreicher, Schweizer und etwa 39 andere Länder schwer vorstellbar sein: in China mag man uns. Ganz vorbehaltslos. Manchmal vielleicht ein bisschen zu vorbehaltslos. In Europa bin ich zumindest noch nie mit einem aufrichtigen Lächeln gefragt worden, warum wir eigentlich so viele Menschen umgebracht haben und habe auf die Frage meiner Herkunft noch nie die Antwort „Super Rasse.“ bekommen. Auch Freundlichkeit kann einen peinlich berühren.

Kein Wunder also, daß man immer noch mehr Artikel aus Deutschland findet. Auch jenseits von Cityshop. Einige Carrefours haben ganze „Imported-Product“ Abteilungen. Schön auch zu sehen, was hier neben Autos, Brot und Bier noch so schön exotisch ist: Haribo. Wobei man ehrlicherweise dazu sagen muss, daß die Importwarendichte mit abnehmender Expat-Nachbarschaft des Supermarkts auch deutlich sinkt.

Import rockt. Zumindest gibt es Käse.

1,3 Mrd Menschen frohe Kinder und Erwachsene.

Fast Marken für sich: Laowais aus dem „richtigen“ Ausland (d.h. nicht Japan). Richtig spitze sind sie, wenn sie wirklich integriert sind. Also nicht so wie wir. Kürzlich habe ich Andrew Ballen kennengelernt. Aus New York, seit elf Jahren in China und der wahrscheinlichste sympathischste Mann der Erde. Zudem ist er tiefschwarz und spricht fließend Mandarin. In Deutschland hätte man vielleicht gesagt „nett integriert“, hier kriegt er eine eigene Fernsehsendung.

Ganz groß ist derzeit auch Debbie. Eigentlich Debra Meiburg, eine Önologin aus den Staaten und ihres Zeichens „Master of Wine“. Keine Taxifahrt vergeht, ohne daß Debbie einem erklärt wie man Wein genießen sollte. Sie mag viel vom Weinbau verstehen, von der Auswahl des richtigen Gesichtschirurgen versteht sie zu wenig. Ihre Augenbrauen sind eher zufällig im auffallend mimik-armen Gesicht verteilt. Aber das macht ihre Sendung eigentlich nur noch amüsanter.

Tausche Ruhm gegen Gesichtsausdruck.

Der Plan steht also. Endlich Mandarin lernen, Nische suchen (vielleicht Apfelwein?) und berühmt werden.

Stadt der Versteckten.


Kinderspiele sind global. „Versteck spielen“, sehe ich hier oft und ist scheinbar oft einer der gemeinsamen Nenner der Kinder in unserem Compound. So ganz legt man hier den Geist des Spiels wohl nie ganz ab – ich kenne wenige Metropolen, die mehr im Verborgenen blühen als Shanghai. Die Stadt ist sehr gut im Verstecken von Dingen. Manches findet man ums Verrecken nicht, obwohl es ganz sicher an jeder Ecke zu haben sein muss. Grassamen zum Beispiel. Anderes wird absichtlich zur Rätseltour gemacht:

People 7 ist ein Restaurant mit nettem Essen, lauschiger Bar und der Obsession zum Verstecken: Eintritt wird nur dem gewährt, der die Lichter am Eingang in der richtigen Reihenfolge drückt; eine Chance die Toilette zu betreten bekommt nur der, der rausbekommt wie die Tür aufgeht (eigentlich simpel übrigens, wenn man gewarnt wurde).

People 7

Code zum Koma (Quelle: blog.chinatours.de)

Die Monkey Lounge ist einer unserer absoluten Lieblingsbars in Shanghai, versteckt sich aber auch lieber. Schild oder Eingangstür gibt es nicht. Man kommt entweder durch eine dunkle HIntergasse zwischen Müll und Ratten und muss ein Rätsel lösen oder benutzt gleich eine unscheinbarer Tür gegenüber den Toiletten IN einer anderen Bar. Zudem haben sie Humor – wir nennen zwei wunderbare kleine Aschenbecher unser eigen, auf denen auf der Rückseite „Impertinently Stolen from The Monkey Lounge, Donghu Rd. Shanghai“ zu lesen ist.

Den Fake-Market besuchen lohnt sich alleine schon wegen des Schauspiels, das die Händler veranstalten, wenn man nach wirklich gut gemachten Replikaten schweizerischen Uhrhandwerks fragt. Natürlich versteckt. Da werden Regale hochgeklappt, eine Klappe in der Wand geöffnet, die wiederum einen Türöffner für die Geheimtür enthält. Wer sich Mittwoch mittags in Shanghai mal ein bisschen wie James Bond fühlen will, sollte das wirklich mal versuchen. Die Uhren selbst lohnen sich wirklich nicht finde ich.

Die deutlich häufigere Variante des obsessiven Verstecken ist jedoch das zufällige Entdecken von tollen Dingen an Orten wo man sie wirklich nie vermutet hätte. Heute zum Beispiel waren wir auf der Suche nach etwas ganz anderem, als mir unvermutet mitten in einem der hässlicheren Compounds der Stadt, am Vorarsch der Welt in Gubei, ein Reformhaus begegnet ist. Zumindest etwas ähnliches – ein Laden für Vegetarier, die Wert auf Bioprodukte legen. Zugegeben, das ist hier auch eher ein Nischenmarkt, mehr als 8-9 potentielle Kunden kann es hier nicht geben. Mitten in einer Betonwüste mit dem treffenden Namen „Paris Garden“, umgeben von erstaunlich vielen Massage-Salons in denen man ganz sicher sehr, sehr viele Extras bekommt: Shanghais Alnatura.

Location, Location, Location.

Bio-Leinöl und Soja-Thunfisch in rauhen Mengen.

Sollte mich irgendwann mal das Verlangen nach vegetarischem Huhn oder Soja-Lamm packen, weiß ich wenigstens wo ich suchen müsste. Unwahrscheinlich, aber das habe ich von Quallensalat auch mal gesagt.

Werbeversprechen.


Ich habe es mir fest vorgenommen: keine Witze über Chinglisch. Was man hier manchmal als Übersetzung sieht ist schon mehr als drollig – aber weder verstehe noch spreche ich Chinesisch, noch kann ich irgendetwas lesen, geschweige denn schreiben. Es wäre, als würde sich ein Chinese über deutsche Rechtschreibfehler lustig machen. Wer keine Ahnung hat, hält sich lieber ein wenig zurück.

Was ich trotzdem ganz großartig finde und einfach teilen muß, sind einige Übersetzungen von Geschäften, Marken oder Dienstleistungen. Im Chinesischen ergibt alles sicher einen Sinn, der sich mir natürlich nicht erschließt – wie man mir schon wiederholt versichert hat, ist vieles was man hier liest nicht nur sinnvoll sondern richtig schön. Im Englischen ist es einfach nur wunderbar verschroben. Daher ganz ohne Häme aber mit einem zwinkernden Westauge, ein paar traumhafte Werbeversprechen:

 

Hier wird vorsortiert. Was nicht großartig ist, kommt gar nicht erst ins Regal.

Den Betreiber muss ich kennenlernen. Der Rick Allen des Backhandwerks.

Spezialisierung ist alles.

Wäre es nicht nur netter, sondern fantastischer Geschmack, hätte ich es gekauft.

...und alle suchen nach dem erfüllten Leben. Da ist es also.

Wenn ich mal einen Laden in Shanghai aufmache, nenne ich ihn „Die Erfüllung aller Träume. Jetzt 50% billiger.“

Der Drache kommt.


Zu kaum einer Zeit ist China erstaunlicher, wuseliger und insgesamt chinesischer als im Augenblick: das Chinesische Neujahrsfest steht vor der Tür. Da sich dies nach dem Mondkalender richtet (wer mal auf Parties Eindruck schinden will: chinesischer Himmelsstamm–Erdzweig-Kalender), findet es jedes Jahr zu einer anderen Zeit statt. Durchdrehen tun sie jedoch jedes Jahr ähnlich.

Ab Montag beginnt das Jahr des Drachen. Genauer gesagt des Wasser-Drachen. Was nach chinesischer Auffassung ein astronomischer Jackpot ist:

Vielversprechend ist für Wahrsager diesmal die Kombination des Drachen mit dem sanften Element Wasser, was nur alle 60 Jahre vorkommt. Das Wasser wird die Aktienmärkte zwar im Fluss halten, soll den Drachen aber beruhigen. Der Wasserdrache gilt als verständnisvoll, diplomatisch, intelligent und weise. Ohne Wasser kann der Mensch nicht leben. Wasser nährt die Natur, lässt Bäume wachsen. Und das Holz schenke dem Drachen besonderes Glück, heißt es.

So sollen im Wasserdrachenjahr die Ideen fließen, die Kreativität wachsen und die Volkswirtschaften aufblühen, wie Horoskope glauben machen wollen. (www.stern.de)

Kurz: Drachenjahre rocken. Dieses Jahr war bisher das Jahr des Metall-Hasen und im Vergleich etwas zahm. Drachen sind ja schließlich auch tausendmal cooler als Hasen.

Ein Land voller Drachen. (Quelle: http://www.ibtimes.com)

Egal welches Tierkreiszeichen kommt, es ist das größte Fest in China und folgt einem strikten Ablauf, den ich wahrscheinlich nie ganz verinnerlichen werde. In jedem Fall laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren und einige Bräuche haben unmittelbaren Einfluss auf unser Leben. Nicht immer freut man sich darüber.

Für alle Firmen (auch internationale wie unsere) sind um diese Zeit „Spring Dinners“ obligatorisch. Unseres war letzte Woche und ich bin froh, erst mal wieder ein Jahr Ruhe zu haben. Mir fehlen ein wenig die Vergleichswerte, aber eine Kurzumfrage im Freundeskreis bestätigte, daß die Kernelemente immer die gleichen sind:

Phase 1: Früh anfangen und keine Zeit verlieren.

Spring Dinners sind wie Militäroperationen geplant und getaktet. Um Punkt 18.30 geht es los, Einzug aller Beteiligten, die Sause startet mit einer Verlosung, die sich durch den Rest des Abends zieht.

Phase 2: Essen. Trinken. Trinken. Trinken. Umfallen.

Meist finden Spring Dinners in großen Restaurants statt, die souverän und gewohnt mehrere Hundert volltrunkene und enthemmte Angestellte versorgen und im Griff behalten. Zu großen Anlässen wird eh schon viel getrunken – beim Spring Dinner gilt das verschärft. Unter Strafe. Jeder Tisch ist eine Gruppe unter Führung eines Teamleaders. Auf unserem Tisch fanden sich neben Unmengen von Essen diverse Flaschen unterschiedlicher Umdrehungszahl. Unter anderem zwei Flaschen Whisky die innerhalb drei Stunden geleert werden mussten, wenn man nicht Disziplinarstrafen erwarten will. Das will man nicht. Im letzten Jahr musste ich mich auf der Bühne ausziehen und habe ein kleines Trauma davongetragen. Die Zuschauer aber sicher auch.

Phase 3: Geschenke!

Der eigentlich wichtige Teil. Geschenke sind super wichtig – dagegen ist die Tombola auf einer deutschen Geschäftsfeier ziemlich armselig. Das Gesicht der Firma und des Managements steht auf dem Spiel, man will sich nicht lumpen lassen: Fernseher, Reisen, iPhones, diverse Haushaltsgeräte, Bargeld in Mengen. Ständig bekommt jemand etwas und wird von den Moderatoren des Abends gebührend auf der Bühne geehrt. Das ganze passiert im 10-Minuten-Takt, viele Geschenke wollen verteilt werden. In China ist man fair – alle, die nichts bekommen haben, bekommen am nächsten Tag ein Geschenk im Büro. Soll ja keiner leer ausgehen.

Phase 4: Blamieren und Erniedrigen.

Spring Dinners sind eine der seltenen Gelegenheiten, ungestraft mal ein bisschen Dampf abzulassen und das Management vorzuführen. Ein liebevolles Attentat. Wie Karneval mit Panzerfaust. Nicht böse gemeint, ist aber als Westler gewöhnungsbedürftig. Mein persönlicher Lernerfolg: sich zieren macht es nur noch schlimmer. Am besten trinken und Volldampf voraus.
Motto diesen Jahres war: MTV Nights. Jede Tischgruppe muss ein Musikvideo nachspielen in möglichst authentischen (oder zumindest blamablen) Outfits. Leider war meine Gruppe von einer Interpretation von Lady Gagas „Telephone“ nicht abzubringen. Mit mir als Lady. Erstaunlich, wie viele Hemmungen man nach nur einem Jahr China ablegen kann. Trotzdem wird halbnacktes Herumtanzen in BH und mit blonder Perücke wohl kein Hobby. Dankbarerweise bin ich nicht der Einzige, viele meiner Kollegen hat ein ähnliches Schicksal ereilt – Lady Gaga ist hier ganz groß.

Alle gaga. Nein, das bin nicht ich, sondern ein Kollege mit ebensoviel "Spaß" (er war mit dem Foto eh schon im Netz)

Phase 5: Fertigmachen.

Wenn das Management angezählt ist, wird es Zeit für den KO. In unserem Fall hieß das Sekunden-Shots. Man öffnet den Mund und jemand gießt einem Hochprozentiges in den Schlund. Mehrere Male. Das Publikum entscheidet über die Anzahl der Sekunden. Zehn Sekunden Whisky sind verblüffend viel.

Phase 6: Abhauen

Wenn alle beschenkt und strackenvoll sind, hört alles fast schlagartig auf. Um Punkt 22.30 gehen die Lichter an und ALLE gehen sofort nach Hause. So man das denn gehen nennen kann.

Ab morgen ist nun erst mal eine Woche frei und die wildesten Tage stehen noch bevor. Es wird laut und berichtenswert.